Karriere > Wissen & Erfolg
Ist der Zugang zum Gericht verschlossen, sind Verhandlungen nichtig/ungültig
04.04.2023
Drei geladene Frauen wollten am 28.5.2021 in das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, um an einer Verhandlung teilzunehmen. Bei der Security-Kontrolle wurden die drei Damen nach einer Ladung gefragt. Die drei Frauen wandten ein, dass die Verhandlungen öffentlich sind und ein Vorzeigen einer Ladung daher nicht erforderlich sein kann.

Daraufhin wurde die Security-Dame aufgebracht und meinte, von ihr werde das Vorzeigen einer Ladung verlangt und während der Corona-Zeit sind das die üblichen Zugangsvoraussetzungen zum Gericht. Der Einwand, dass durch Corona das Recht nicht gestorben ist, machte die Security-Dame noch aufgebrachter.

Sie meinte darauf sie und der Richter/die Richterin entscheiden, ob jemand zu einer Verhandlung als Zuhörer somit als Öffentlichkeit zugelassen wird. Die Security-Dame meinte nach einer 5-minütigen Diskussion: „Wenn Sie weiter mit mir diskutieren, lasse ich Sie nicht ins Gebäude hinein!“ Die drei Damen wurden dann schlussendlich doch zur Verhandlung von der Security-Dame durchgelassen, ohne dass diese ihre Ladungen vorzeigen mussten.

Eine ähnliche Situation ereignete sich am Bezirksgericht Graz-West. Der Security wagte es nicht, seine Kompetenz zu überschreiten, fragte bei der erkennenden Richterin nach und änderte nach dem „OK“ der Richterin seine Vorgangsweise, indem er, statt die Öffentlichkeit auszuschließen, diese zuließ.

Am 20.01.2022 wiederum wollten drei Personen an einer Verhandlung vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz teilnehmen. Die Security-Dame verlangte vehement nach Details der Verhandlung bzw. zumindest der Bekanntgabe eines Saals. Das Besuchen einer mündlichen Tagsatzung (im Volksmund „Verhandlung“ genannt) nach Zufallsprinzip, indem man, vorsichtig und ohne zu stören den ersten „offenen“ Verhandlungssaal betritt, um dort der Tagsatzung als Öffentlichkeit beizuwohnen – was ein verfassungsrechtlich gesicherte Recht jedes einzelnen ist –  war somit durch die Security-Dame verunmöglicht.

Nachdem vergeblich nach einer Verhandlungsliste auf www.justiz.gv.at gesucht wurde, wurden die drei Personen/Öffentlichkeit darauf hingewiesen, dass diese bei der Einlaufstelle nachfragen können. Das Verlangen nach dem Aushändigen einer Liste mit Verhandlungen blieb jedoch ergebnislos. In der Folge wurde auf Hinweis eines Dritten der Verhandlungssaal A genannt. Damit ließ sich die Security-Dame zufrieden stellen und wollte eine der drei Personen/Öffentlichkeit durchlassen. Dies mit der Begründung, dass aufgrund von Corona-bedingten Situation die notwendigen Abstände in den Verhandlungssälen bei einer Personenanhäufung von drei Personen nicht gewährleistet werden könne und daher vom Richter die Anwesenheit mehrerer Personen als Öffentlichkeit zu genehmigen sei.

Im Saal angekommen sprach der Richter sofort Recht und ließ ohne jedes Aufheben alle drei Personen in den Saal.

Ein bitterer Beigeschmack blieb jedoch.

An dieser Vorgangsweise, Personen nach Termin und/oder Ladung zu fragen, und bei Nicht-Vorzeigen diese Personen nicht ins Gebäude zu lassen, und somit die Öffentlichkeit auszuschließen (der Ausschluss der Öffentlichkeit bewirkt die Nichtigkeit des Verfahrens), hat sich auch „nach Corona“ NICHTS geändert, sondern wird diese beibehalten, auch wenn es dafür mittlerweile keinen guten Grund mehr gibt.

Wenn man zur Corona-Zeit in den Verfassungsgerichtshof auf der Wiener Freyung wollte, ging das gar nicht – das Gebäude war strenger gesichert als das berühmte Fort Knox und für einen Normalsterblichen, der zur Einlaufstelle wollte, nach 11 Uhr vormittags gar nicht möglich (Öffnungszeiten 9-11:00). Im Winter musste man in der Kälte warten, bis einem die Security nach Läuten an der Glocke die Außentüre zur „Schleuse“ zwischen Security und eigentlichem Gebäude öffnete. Wer sich schon einmal im Hochsicherheitstrakt namens Verfassungsgerichtshof wiederfinden durfte, weiß, wie klein und unbedeutend man sich in dessen riesigen Hallen vorkommt – wie passend für die übrige Justiz und Gerichtsbarkeit und wie diese Otto Normalbürger sieht.
    
Auch am Bezirksgericht Liezen ist seit der Corona-Zeit das Recht auf freien Zugang zum Gericht eingeschränkt; die Öffentlichkeit wird weitgehend bei Betreten des Gerichtsgebäudes verwiesen. Es entstehen so häufig Diskussionen zwischen der Security und Personen, die beispielsweise deren Ladung nicht bei der Hand haben oder auch von ihrem Recht auf Akteneinsicht oder ähnlichem Gebrauch machen wollen.

Die Security-Damen und -Herren des Bezirksgerichtes Liezen fragen jeden nach einer Ladung. Auf Nachfrage wird gesagt, Zugang zum Gerichtsgebäude nur mit Ladung oder Termin.

Auf die Öffentlichkeit können die Parteien nicht wirksam verzichten.
 
Tagsatzungen nach 16 Uhr sind nichtig

Tagsatzungen, die nach 16 Uhr stattfinden, sind nichtig, da die Öffentlichkeit faktisch ausgeschlossen ist und können daher die dann ergehenden Urteile wegen Nichtigkeit angefochten werden. Denn gewöhnlich geht die Security um 16 Uhr nach Hause, der Schranken ist somit unbesetzt und der Zugang zum Gerichtsgebäude, egal ob Bezirksgericht, Landesgericht, Oberlandesgericht etc. nicht mehr möglich.

Um die Möglichkeit der Anfechtung eines Urteils wegen Nichtigkeit aufgrund des Ausschlusses der Öffentlichkeit auszuschließen, kann ein Richter/eine Richterin beim Präsidenten des jeweiligen Oberlandesgerichtes einen Antrag stellen und ersuchen, dass eine Person den Schranken länger bewacht und die Öffentlichkeit somit den Zugang ins Gebäude gewährt. Leider ist uns ausschließlich ein einziger solcher Fall bekannt, dass diese Möglichkeit genutzt wird, allerdings nur (a) bis 18.00 und (b) mit dem Hinweis der Einmaligkeit.

Gilt nun das Gesetz, aufgrund dessen der zwingende demokratische Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen gewahrt ist?

Der Oberste Gerichtshof hat zu OGH 2 Ob 173/20k entschieden, dass, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist oder der Zutritt zum Gericht nicht mehr möglich ist, das Verfahren nichtig = ungültig ist und die Parteien nicht auf die Öffentlichkeit verzichten können. Dazu auf der OGH zu 12 Os 46/20m vom 12.05.2020:

Die Verfahrensrüge (§ 345 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 228 Abs 1 StPO) behauptet einen nichtigkeitsbegründenden Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung, weil die Wiedereröffnung der Verhandlung am 24. Jänner 2020 um 16:16 Uhr stattgefunden habe, der Zugang zum Landesgericht für Strafsachen Wien ab 15:30 Uhr für die Öffentlichkeit jedoch nicht mehr möglich gewesen sei.

Oder gilt Corona-Diktatur und nunmehr Zugang zum Recht durch die Öffentlichkeit der Verhandlung nach Lust und Laune der Security, der Justiz?

Wen der zweite Grundsatz gilt, dann dauert es nicht lang, bis Österreich das neue China wird.
Viva Xi Jinping!

vs

die-frau.ch