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Soll eine Mutter besser wissen, was für ihr Kind gesund ist?
11.07.2011
„Katharina und Nicolaus haben eigene Betten und ein eigenes Zimmer, obwohl sie am liebsten bei mir schlafen und in der Früh in mein Bett wandern. Einschlafen sollten beide jedoch im eigenen Bett“, ungefährer Text meiner letzten Gastmutter aus Wien, bei der ich mich bis Oktober 2010 aufhielt. Ich legte die Kinder jeden Tag ins Bett und meine Aufgabe war dabei, sie davon abzuhalten, das Zimmer zu verlassen und zur Mutter zu laufen, um ihr ein weiteres Bussi zu geben und „Gute Nacht“ zu wünschen. Das Mädchen hielt das noch aus, der 2-Jährige Bub hatte jedoch kein Verständnis dafür. Er lief immer wieder raus und legte sich ins Bett der Mutter, äußerte direkt und standfest seinen Wunsch in diesem die ganze Nacht lang zu bleiben. Da ich das nicht besser wusste, machte ich immer mit und zerrte den Kleinen wieder zurück in sein Zimmer. Seinen Widerstand beruhigte ich mit Umarmungen und redete ihm ein - obwohl es mir oft schwer fiel ihn von der Mutter, die sich in zwei Meter Entfernung von ihm befand, fernzuhalten - Mutter brauche jetzt Ruhe von ihm oder will sich ausschlafen. Irgendwie kam es mir komisch vor. Ich las den Kindern eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Nicolaus setzte sich normalerweise auf meinen Schoß und streichelte meinen Bauch an einer Flasche mit Milchpulver nuckelnd. Ihm fehlt es auf jeden Fall an Körperkontakt. Einmal nahm sie sich Urlaub von den Kindern, weil es so anstrengend war, so früh aufzustehen und sich mit ihnen zu befassen. Genauso war sie immer froh, wenn die Kinder am Wochenende nicht da waren.

Den kleinen Leander habe ich am liebsten getragen oder mit einem Fahrrad gefahren. Eher weniger Freude habe ich mit dem Kinderwagen gehabt.  Totale Freude habe ich damit gehabt, dass meine Gastmutter aus Sylt nichts dagegen hatte und mich nur vorwarnte, dass er zu schwer ist und ich mich selbst entscheiden soll, ob ich es schaffe, ihn zu schleppen.
Als ich einmal gesehen habe, dass sie das Baby in einem Tragetuch getragen hat, wuchs in mir auch der Wunsch es ihr gleichzumachen. Jedoch schlug sie mir das nie vor und ich traute mich auch nicht nachzufragen, weil ich die Tragemöglichkeit als ein Privileg der Mütter einschätzte.

Immer wieder setzte in meinem Inneren ein gewisser Wiederstand ein, wenn mir etwas in der Erziehung der Kinder nicht passte, jedoch wagte ich nicht zu wiedersprechen, denn ich schätzte die jeweilige Mutter für kompetent genug ein, um es richtig zu machen. Sie ist die Mutter, sie wird es besser wissen, vor allem, wenn das bereits ihr viertes Kind ist.

Als ich mich mit dem Thema Kinder, Kindererziehung, Sexualität etwas tiefer befasste, fielen mir die vielen Fehler, die ich auf Grund des Unwissens gemacht habe auf. Ich ließ mir einreden, dass es richtig sei und machte meinen Schnabel nicht auf, weil ich meinem Gefühl nicht gut genug traute und meine Kompetenz unter der der Mütter einschätzte. Man glaubt automatisch, das Kind wird einem auch selbst zeigen, was ihm nicht passt, sich dagegen stellen, wehren. Jedoch stimmt es tatsächlich, dass Kinder, mehrmals missbraucht von den eigenen Eltern, oft alles zulassen was sie mit ihnen anstellen. Selbst Mutter, schien mir diese Vorstellung gleich praxisfremd. Jordan kann man nichts vorschreiben. Alles, was ihm nicht passt, löst einen lauten Protest in ihm aus. Er kämpft, er wehrt sich dagegen. Nicht wie jene Kinder, bei denen dieser Protest zuerst übersehen, dann ignoriert wird.

Als Studentin war ich Babysitten bei einer Familie in Wien. Das Baby habe ich bereits im Bauch kennengelernt und kam dann öfter in die Wohnung, um die Mutter nach der Geburt zu unterstützen.  Manchmal wollte die kleine am Tag schlafen und ich schaukelte sie sanft in den Schlaf auf meinem Arm. Das Gefühl war so angenehm, dass ich sie nicht wieder loslassen wollte und somit setzte ich mich mit einem Buch, sie auf meiner Schulter schlafend, auf die Couch. Ich kann mich im Nachhinein erinnern, wie schwer es ihr immer fiel im Kinderbettchen einzuschlafen und wie sanft und ruhig ich sie auf dem Arm in den Schlaf schaukelte. Ich kann mich sogar erinnern, dass sie im Schlaf lächelte und als sie aufwachte, war sie froh vor sich ein lebendes Wesen und keine schaukelnden hölzernen Figuren zu entdecken. Sie weinte auch gar nicht. Als ihre Mutter mich einmal dabei erwischte, als ich die Kleine auf meinem Arm schaukelte, weil sie bitterlich weinte und ich auf die Gastmutter wartete, die mir nicht verraten wollte, wo ihr Kurs stattfand (in Österreich ist es Pflicht, das Kind zum Stillen zur Mutter zu bringen. Sie jedoch verweigerte diese Option, meinte, sie sei eh in der Nähe und kommt rasch), nahm sie sie rasch in die Hände und schmiss sie nach der Phrase „Oh, du wirst mit dem Tragen verwöhnt!“ schnell ins Kinderbettchen. Damals ratlos und der Meinung, es macht keinen Unterschied, ob die Mutter zum Kind kommt oder das Kind zur Mutter, weiß ich ganz genau, dass das Gehen selbst viel ausmacht. Es zeigt, dass die Herde zieht, es keine Milch gibt und das Baby hört auf zu weinen. Beim Stehen gibt´s Milch.

Sie wollte nicht, dass das Kind zum Stillen gebracht wird und pumpte die Milch ab. Bereits beim ersten Füttern machte es mich fertig. Ich legte das Gummizeug der Kleinen auf die Lippen und beobachtete ihren verwunderten Blick zuerst auf meinen Busen, dann auf die Flasche. Ich war fassungslos, sie hat es genau erkannt. Jetzt, wo ich mehr über Babys, Muttersein weiß, erkenne ich in ihren Augen diesen Betrug, den ich mit ihr durchgeführt habe: Ich habe sie mit Gummizeug betrogen.

Das Schrecklichste nämlich ist, dass ein Aupair, als zukünftige Mutter automatisch den Umgang mit den Kindern von der Gastmutter lernt, wenn auch immer unbewusst. Was ihr vorgelebt, vorgezeigt wird, führt sie in der Zukunft mit ihren eigenen Kindern durch. Hätte ich keine andere Information bekommen, keine andere Lebensweise gesehen, würde sich der Umgang mit meinem eigenen Sohn nicht anders gestalten. Vielleicht hätte ich meinen Aupair nie schief angeschaut, wenn es mich nach einem Kinderwagen fragt, sondern hätte einfach einen rasch aus dem Keller geholt.

Heute, als Mutter eines 6-monatigen Buben, weiß ich ganz genau, was ich falsch gemacht habe und es tut mir Leid, vor allem, dass ich den Müttern keine anderen Informationen geben konnte. Jedoch aus der Erfahrung, werden diese Informationen auch nicht angenommen, denn was kann schon eine 22-jährige junge Frau einer Mutter erzählen, wie sie ihr Kind großzuziehen hat. Viel zu niedriger Status. Jetzt bin ich gleichgestellt, bin selbst eine Mutter.

Ich weiß, dass mein Kind getragen werden will und nicht abgelegt. Und mit dem Tragen wird es sicher nicht verwöhnt, sondern bekommt genug Körperkontakt und viel Wärme und Geborgenheit, was ihm eine gute Gesundheit bietet. Er lässt sich nichts gefallen, kämpft. Ich kann es mir nicht vorstellen, ihn beim Schlafen abzulegen oder ihn in der Nacht in einem kleinen Kinderbettchen zu haben, weil ich Privatsphäre mit meinem Partner brauche. Ist doch lächerlich. Er ist meine Privatsphäre und seine Nähe tut mir am besten. Auch wenn ich mich öfter ärgere, dass er manchmal stundenlang an meiner Brust zuzelt, ohne zu trinken, bin ich trotzdem froh, dass ich ihn nicht betrügen muss und überlasse ihm die Möglichkeit selbst zu entscheiden, wann er nicht mehr gestillt werden will. Urlaub von meinem Jordan haben? Bin ich verrückt? Wenn Urlaub, dann nur mit ihm, denn er beschmückt mein Leben.

Ich bin froh, dass ich die für mich und aus meiner Sicht richtigen und wichtigen Informationen über Erziehung und was Kinder, im speziellen Babys, alles brauchen, um gesund und glücklich zu sein, bekommen habe. Meinem Aupair will ich ein gutes Beispiel einer kindergerechten Erziehung sein.

(vs)

Foto: alitaylor

die-frau.ch